Gesundheitsschutz und Home-Office

Mitbestimmung bei Regelungen über Gefährdungsbeurteilungen und Maßnahmen

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Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu treffen (§ 3 Abs. 1 ArbSchG) – egal wo der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringt. Bei Regelungen zum Gesundheitsschutz ist aber die Mitbestimmung des Betriebsrats zu wahren – unter allen Umständen, also auch im Home-Office

So mancher Arbeitgeber meint, dass diese Grundsätze im Home-Office nicht gelten und versucht, sich seinen Pflichten zu entziehen. Das ist falsch, und ein Betriebsrat sollte das nicht tolerieren.

Unter „Home-Office: Was der Betriebsrat beachten muss“ habe ich bereits Unterschiede zwischen „Gelegenheits-Home-Office“, „Regel-Home-Office“ und „Telearbeit“ beschrieben. Diese Unterschiede können auch dazu dienen, um Regelungen zum Gesundheitsschutz im Home-Office zu differenzieren. Keinesfalls sollte man aber zulassen, dass Arbeit im Home-Office einfach insgesamt und pauschal als „Mobile Arbeit“ umetikettiert wird.

Der Mitbestimmungstatbestand, der hier gilt, ist natürlich § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG:

Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
[…] 7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;

Darüber habe ich unter „Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz“ einige Informationen zusammengestellt. Das Problem bei der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist stets: Damit eine Reglung mitbestimmt werden kann, muss zuerst einmal die Notwendigkeit einer Regelung festgestellt werden. Ohne Regelungsnotwendigkeit keine Regelung, und ohne Regelung keine Mitbestimmung.

Das Mittel, mit dem festgestellt wird, ob bei einer bestimmten Tätigkeit oder einem bestimmten Arbeitsplatz Gefährdungen für die Gesundheit gibt, ist die Gefährdungsbeurteilung. Ich ernte regelmäßig Verständnislosigkeit, wenn ich darauf hinweise, dass auch bei Arbeit im Home-Office Gefährdungsbeurteilungen notwendig sind.

Gefährdungsbeurteilungen auch im Home-Office?

In jedem Fall – bei jeder Art von Tätigkeit und an jeder Art von Arbeitsplatz – wird ist eine Gefährdungsbeurteilung benötigt. Das kann niemals ausgeschlossen werden, denn das ist in § 5 ArbSchG vorgeschrieben. Hier habe ich über Gefährdungsbeurteilungen schon einiges geschrieben. Noch einmal der Hinweis: eine Gefährdungsbeurteilung ist keine TÜV-Hauptuntersuchung. Es geht bei der Gefährdungsbeurteilung nicht in erster Linie darum, dass ein Fachmann (oder eine Fachfrau) irgendwo hinfährt, sich ein Objekt genau anschaut, um dann zu beurteilen, ob von dem Objekt eine Gefährdung ausgeht.

Richtig ist vielmehr, dass man ganz grundsätzlich bei jeder Tätigkeit und bei jedem Arbeitsplatz die Gefährdungen beurteilen muss. Dazu muss nicht gleich eine Busladung von Arbeitsschutzexperten über die Wohnung des Arbeitnehmers herfallen. Man wird sich vielmehr überlegen müssen, welche Gefährdungen bei der Arbeit an einem Home-Office-Arbeitsplatz entstehen können, und man wird Kriterien bestimmen müssen, anhand derer man feststellen kann, ob solche Gefährdungen am jeweiligen Arbeitsplatz bestehen. Das gilt für einen Arbeitsplatz zuhause genauso wie für jede andere Art von Arbeitsplatz auch.

Es ist ja auch überhaupt nicht einzusehen, warum das nicht so sein sollte. Im Betrieb wird (hoffentlich) ein großer Aufwand betrieben, um sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen gut sind, dass von den Arbeitsplätzen und den Tätigkeiten keine Gefährdung ausgeht und die Arbeitnehmer ihre Arbeit gut leisten können. Warum sollte das anders sein, sobald ein Arbeitnehmer woanders als im Betrieb arbeitet?

Was gehört in die Gefährdungsbeurteilung zum Home-Office?

Sinnvollerweise wird man Mindestanforderungen bestimmen müssen, die einen Arbeitsplatz zuhause gestellt werden. Diese Mindestanforderungen umfassen z. B.

  • die Platzverhältnisse,
  • die Qualität des Stuhls,
  • die Eignung des Tisches,
  • die Qualität und Helligkeit der Beleuchtung und
  • die Geschwindigkeit des Internet-Anschlusses, um ein zügiges Arbeiten zu ermöglichen.

Dafür kann man z. B. Checklisten und Beschreibungen erstellen. Damit kann der Arbeitnehmer selbst prüfen und Auskunft darüber geben, ob die Verhältnisse an dem Platz, an dem er im Home-Office arbeiten möchte, den Anforderungen an gute Arbeit genügen. Man kann auch vereinbaren, dass der Arbeitnehmer durch Fotos dokumentiert, dass seine Angaben korrekt sind. Wenn man feststellt, dass die Verhältnisse für die Arbeit im Home-Office genügen, dann spricht nichts dagegen, dass der Arbeitnehmer im Home-Office arbeiten kann.

Und wer macht das?

Der Einwand „Aber eine Gefährdungsbeurteilung darf doch nur von zuverlässigen und fachkundigen Personen durchgeführt werden“, der auf § 13 Abs. 2 ArbSchG verweist, geht hier fehlt. Es ist sicher nicht sinnvoll, einen Trupp „Gefährdungsbeurteiler“ in die Privatwohnungen der Arbeitnehmer zu schicken. Einmal davon abgesehen, dass der Arbeitgeber nicht automatisch ein Zutrittsrecht hat, nur weil der Arbeitnehmer im Home-Office arbeitet – es wäre ja auch gar nicht praktikabel.

Eine Gefährdungsbeurteilung besteht aber nicht nur darin, dass man Fragen auf einer Checkliste abhakt. Wenn die Fragen richtig formuliert und erläutert sind, kann durchaus auch ein „nicht fachkundiger“ Mensch sie beantworten. Die Beurteilung der Gefährdung besteht nicht in erster Linie in der Beantwortung der Fragen einer Checkliste, sondern vor allem

  • in der Entwicklung geeigneter Fragestellungen und Erläuterungen, die es ermöglichen, aus den Antworten Gefährdungen zu erkennen und
  • im Treffen geeigneter Schlussfolgerungen aus den Antworten.

Aus den Antworten kann man schließen, ob es ohne weiteres möglich ist, dass der Arbeitnehmer am von ihm vorgesehenen Arbeitsplatz zuhause arbeitet, ob er ggf. besondere Unterweisungen benötigt oder ob evt. weitere Maßnahmen seitens des Arbeitgebers notwendig sind. Vermutlich wird man an den Arbeitsplatz zuhause etwas weniger strenge Anforderungen stellen als an den betrieblichen Arbeitsplatz. Dadurch, dass der Arbeitnehmer dafür andere Vorteile wie z. B. größere Flexibilität, weniger Stress im Berufsverkehr etc. erzielt, kann man gewisse Nachteile hinsichtlich der Eignung des Arbeitsplatzes akzeptieren. Allerdings ist es Gegenstand der Mitbestimmung, zu entscheiden, wo die Grenze dafür liegt.

Wenn man aber feststellt, dass die Verhältnisse zuhause nicht ausreichen, wird man mit dem Arbeitgeber über Maßnahmen diskutieren müssen, die er durchführt, um Home-Office nach Möglichkeit dennoch zu ermöglichen.

Maßnahmen des Arbeitgebers zum Gesundheitsschutz im Home-Office

Viele Arbeitgeber handeln nach dem Motto „Home-Office (inzwischen) gern, aber kosten darf es nichts“. Arbeitgeber profitieren aber erheblich davon, wenn Arbeitnehmer im Home-Office arbeiten – warum sollten sie dann nicht auch Maßnahmen durchführen, die Geld kosten?

Wenn z. B. der vorhandene Stuhl und/oder Tisch den Anforderungen an gute Arbeit nicht genügen, und der Arbeitnehmer bereit ist, einen Tisch und/oder einen Stuhl, den der Arbeitgeber ihm zur Verfügung stellt, in seiner Wohnung aufzustellen – was spricht dagegen, dass der Arbeitgeber diese Möbel zur Verfügung stellt? Die Kosten sind überschaubar, und für den Arbeitgeber ist ein zufriedener, motivierter Arbeitnehmer, der froh ist, unter guten Bedingungen zuhause arbeiten zu können, jedenfalls ein Gewinn. Der Nutzen ist sicher größer als die Kosten.

Das Notebook sollte der Arbeitgeber ohnehin zur Verfügung stellen, schon aus Gründen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes. Bildschirm und Tastatur müssen bei einem regelmäßig genutzten Arbeitsplatz voneinander getrennt beweglich sein, das verlangt die ArbStättV in Ziff. 6.3 Abs. 2 Nr. 1. Also braucht man einen separaten Bildschirm und eine separate Tastatur, idealerweise mit einer Docking Station, an die der Laptop schnell und einfach angeschlossen werden kann. Es ist eine erforderliche Maßnahme des Gesundheitsschutzes, diese Bedingungen herzustellen, und – wie bereits gesehen – § 3 Abs. 1 ArbSchG verlangt vom Arbeitgeber, erforderliche Maßnahmen durchzuführen.

Und warum soll der Arbeitgeber sich nicht an Kosten beteiligen, wenn der Arbeitnehmer für den Zugang zur Cloud oder für den VPN-Zugang zum Firmennetzwerk eine schnellere DSL-Leitung braucht, um gut und sicher arbeiten zu können? Auch dafür sind die Kosten überschaubar. Es ist nicht einzusehen, warum der Arbeitgeber die Kosteneinsparungen und den Nutzen, die er dadurch erzielen kann, dass Arbeitnehmer zuhause arbeiten, nicht zumindest teilweise dafür verwendet, den Arbeitnehmern gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

Und wenn der Arbeitsplatz gar nicht geeignet ist?

Wenn sich allerdings herausstellt, dass der Arbeitsplatz zuhause gar nicht für ernsthaftes Arbeiten geeignet ist, und wenn man das auch nicht durch entsprechende Maßnahmen ändern kann, dann muss man auch in den sauren Apfel beißen: Dann ist die Entscheidung richtig, dass der Arbeitnehmer jedenfalls an diesem Arbeitsplatz nicht arbeiten kann.

Für den betroffenen Arbeitnehmer ist das natürlich unerfreulich. Aber man kann nicht hinnehmen, dass Arbeitnehmer zuhause inakzeptablen Bedingungen ausgesetzt sind. Das lässt sich mit den Fürsorgepflichten des Arbeitgebers nicht vereinbaren, und auch der Betriebsrat hat sich bekanntlich dafür einzusetzen, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt wird. Man kann für solche Fälle aber zumindest die Möglichkeit schaffen, in geringerem Umnfang und nur gelegentlich von zuhause aus zu arbeiten.

Unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Arten von Home-Office

Ich habe an verschiedenen Stellen angeregt, zwischen unterschiedlichen Arten von Arbeit außerhalb des Betriebs zu unterscheiden:

  • Regelmäßiges Home-Office,
  • Gelegentliches Home-Office und
  • Mobile Arbeit

Es bietet sich an, dass man für diese unterschiedlichen Arten von Arbeit außerhalb des Betriebs auch unterschiedliche Regelungen trifft:

Regelmäßiges Home-Office

Wer regelmäßig im Home-Office arbeitet, braucht dort gute Arbeitsbedingungen. Deshalb sollte für diese Art der Arbeit außerhalb des Betriebs in einer Betriebsvereinbarung bestimmt werden, dass und wie diese Arbeitsbedingungen sichergestellt werden:

  • Der Umfang, bis zu dem ein Arbeitnehmer im Regel-Home-Office arbeiten kann, wird festgelegt.
  • Die Betriebsvereinbarung setzt Mindeststandards, die der Arbeitsplatz, den der Arbeitnehmer im Home-Office verwenden möchte, erfüllen muss (vor allem hinsichtlich der Platzverhältnisse, der Beleuchtung und der Frischluftzufuhr, ggf. hinsichtlich des Arbeitstisches).
  • Mindeststandards, die der Arbeitgeber beim regelmäßig im Home-Office genutzten Arbeitsplatz erfüllen muss, werden ebenfalls bestimmt (vor allem hinsichtlich des Laptops, des Bildschirms, der Tastatus und Maus, des Stuhls und ggf. des Tisches, ggf. der Beleuchtung und hinsichtlich weiteren benötigen Zubehörs wie Drucker, Aktenvernichter, sicherer Aufbewahrung von Unterlagen). Es wird also geregelt, dass der Arbeitgeber solche Gegenstände zur Verfügung stellt, und welche Anforderungen diese Gegenstände erfüllen müssen.
  • Eine Checkliste, die der Arbeitnehmer abarbeitet, um zu prüfen und zu dokumentieren, ob sein Arbeitsplatz die Anforderungen der Betriebsvereinbarung erfüllt, ist ebenfalls Bestandteil der Regelungen
  • Der Arbeitnehmer muss glaubhaft machen, dass er die Checkliste sorgfältig, korrekt und wahrheitsgetreu ausgefüllt hat.
  • Im Betrieb wird geprüft (z. B. durch den Arbeitsschutzausschuss oder ein anderes Gremium, in dem der Betriebsrat beteiligt ist), ob der Arbeitsplatz nach den Angaben des Arbeitnehmers sicher und gesund verwendet werden kann.

Gelegentliches Home-Office

Wer zuhause nicht die Möglichkeit hat, einen geeigneten Arbeitsplatz einzurichten, sollte aber die Möglichkeit haben, zumindest gelegentlich zuhause zu arbeiten (sofern die Tätigkeit selbst es zulässt). Anlässe können, wie schon erwähnt, die Pflege von kranken Kindern oder anderen Angehörigen, Handwerkerbesuche oder dergleichen sein. In der Betriebsvereinbarung sollte man dafür folgendes bestimmen:

  • Welche Tätigkeiten erlauben ein gelegentliches Arbeiten von zuhause, und welche Gruppen von Arbeitnehmern erhalten dazu die Möglichkeit?
  • Der Umfang wird begrenzt, z. B. auf drei Tage im Monat oder zehn Tage im Quartal.
  • Der Arbeitgeber stellt dem Arbeitnehmer (ggf. vorübergehend) einen geeigneten Laptop zur Verfügung.
  • Der Arbeitnehmer muss glaubhaft machen, dass er zuhause über eine Internetanbindung verfügt, die ein gutes und zügiges Arbeiten ermöglicht.
  • Er muss außerdem glaubhaft machen, dass er zuhause zumindest über einen geeigneten Tisch und Stuhl verfügt.
  • Es wird auch eine Regelung darüber benötigt, mit wie viel Vorlauf der Arbeitnehmer die Tätigkeit zuhause ankündigen muss und unter welchen Voraussetzungen (z. B. Unterbesetzung in der Abteilung) der Vorgesetzte das ablehnen kann.

Mobile Arbeit

Ob Regelungen über mobile Arbeit notwendig sind, hängt davon ab, ob in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen damit gemacht wurden. Wie schon erwähnt: Wenn mobile Arbeit (z. B. im Außendienst) ohnehin schon praktiziert wird und es damit in der Vergangenheit keine wesentlichen Probleme gab, kann man das Thema auch weiterlaufen lassen. Man kann die ohnehin fällige Betriebsvereinbarung über Arbeit zuhause aber auch zum Anlass nehmen, Regelungen über mobile Arbeit zu treffen. Wichtig wäre dabei:

  • die Mindestausstattung, die der Arbeitnehmer braucht, um gut und sicher unterwegs arbeiten zu können.
  • Geeignete Unterweisungen für die Arbeitnehmer, mit denen sie über sicheres Arbeiten aufgeklärt werden.
  • Ggf. Verweise auf Regelungen zum „Regel-“ bzw. zum „Gelegenheits-Home-Office“.

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