Schutz und Rechte der Betriebsratsmitglieder
Der Betriebsrat soll dem Arbeitgeber als Korrektiv und gleichberechtigter Verhandlungspartner entgegentreten. Er soll den Arbeitgeber insbesondere daran hindern, seine Interessen gegen die der Arbeitnehmer durchzusetzen, ohne deren Interessen zu berücksichtigen.
Damit muss ein Betriebsrat immer mal wieder gegen die Interessen des Arbeitgebers handeln. Das verleitet Arbeitgeber gelegentlich dazu, den Betriebsrat und seine Mitglieder als Gegner zu betrachten und ihn anzugreifen. Der Gesetzgeber hat deshalb einige Regeln und Rechte ins BetrVG geschrieben, die den Betriebsrat vor solchen Angriffen schützen und seine Integrität sicherstellen sollen.
Außerdem stehen die Mitglieder des Betriebsrats in einem Rollenkonflikt: Einerseits sollen sie dem Arbeitgeber Paroli bieten und ggf. auch Konflikte mit ihm austragen. Andererseits sind sie ganz normale Arbeitnehmer und in dieser Rolle dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen.
Der Gesetzgeber versucht, mit den Vorschriften insbesondere der §§ 78 und 37 BetrVG, diesen Rollenkonflikt zu lösen. Er schreibt dort eine strikte Trennung zwischen den beiden unterschiedlichen Rollen vor. In der Praxis gelingt diese Trennung allerdings nicht immer.
Benachteiligungsverbot (§ 78 BetrVG)
Die Mitglieder des Betriebsrats und anderer Organe der Betriebsverfassung dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden.
78 BetrVG
Der erste Satz stellt sicher, dass der Betriebsrat sein Amt wirkungsvoll ausüben kann. Der zweite Satz soll die Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder schützen.
Der Schutz der Betriebsratsmitglieder aus § 78 BetrVG ist zeitlich nicht begrenzt. Das bedeutet, dass es auch nach dem Ausscheiden eines Mitglieds aus dem Betriebsrat nicht zulässig ist, es im Nachhinein zu benachteiligen. Beispielsweise mit dem Argument, dass das Vertrauensverhältnis jetzt gestört sei (oder auch ganz ohne Begründung). Es darf in solch einem Fall z. B. nicht von Beförderungen ausgeschlossen werden.
Beispiele für Störungen und Behinderungen
Unerlaubte Störungen und Behinderungen des Betriebsrats und seiner Mitglieder sind z. B.:
- Den Zugang zum Betriebsgelände zu verweigern
- Den Zugang zu den Arbeitsplätzen zu verweigern
- BR-Sitzungen zu verhindern, zu erschweren oder zu stören
- Die Befreiung von der Arbeit für die Wahrnehmung des Amtes zu verweigern
- Erforderliche Sachmittel zu verweigern
- Aushänge vom Schwarzen Brett des Betriebsrats zu entfernen
- Behinderung bei der Durchführung von Betriebsversammlungen
- Arbeitnehmer daran zu hindern oder es ihnen zu erschweren, an einer Betriebsversammlung teilzunehmen
- Arbeitnehmern Vergünstigungen zu versprechen, wenn sie nicht an einer Betriebsversammlung teilnehmen
- Dem Betriebsrat erforderliche Informationen vorzuenthalten
- Den Betriebsrat nicht zu informieren bzw. zu konsultieren, wo es im Gesetz vorgeschrieben ist
- Beharrliche Missachtung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte
- Die Post des Betriebsrats zu öffnen
- Faxe des Betriebsrats zu lesen oder zu kopieren
- Telefongespräche von Betriebsratsmitgliedern abzuhören
- Zielnummern der Telefongespräche von Betriebsratsmitgliedern zu speichern
- E-Mails von Betriebsratsmitgliedern mitzulesen
- Ständiger Ausspruch außerordentlicher Kündigungen, wo ordentliche Kündigungen ausreichen würden
- Leichtfertige Anträge beim Arbeitsgericht auf Auflösung des Betriebsrats oder Amtsenthebung einzelner Mitglieder
- Leichtfertige Anträge auf Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht
- Diskreditierende Äußerungen wie „Der Betriebsrat ist geschäftsschädigend“, „Der Betriebsrat handelt fahrlässig“ oder „Der Betriebsrat verursacht Kosten, die zur Folge haben, dass für die Arbeitnehmer weniger Geld zur Verfügung steht“
- Veröffentlichung der Kosten, die der Betriebsrat verursacht
- Veröffentlichung der Fehlzeiten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind
Beispiele für Benachteiligungen
Benachteiligungen von Mitgliedern sind z. B.:
- Außerordentliche Kündigung nur eines Betriebsratsmitglieds wegen eines Vorfalls, an dem auch andere Arbeitnehmer beteiligt waren
- Zuweisung einer schlechteren Arbeit
- Ausschluss von Vergünstigungen oder Zuwendungen, die andere, vergleichbare Arbeitnehmer erhalten
- Bekanntgabe von Fehlzeiten wegen der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied
- Besondere Kontrollen von Betriebsratsmitgliedern, z. B. der Telefondaten, der Internet-Nutzung etc. wo andere, vergleichbare Arbeitnehmer nicht kontrolliert werden
- Unbegründete oder fadenscheinige Ablehnung bei einer internen Bewerbung
- Angabe der Betriebsratstätigkeit im Zeugnis gegen den Willen des Betriebsratsmitglieds
- Nichterstattung von erforderlichen Reisekosten
- Zusätzliche Taschenkontrollen außerhalb der vereinbarten Stichproben-Regelung
Beispiele für Begünstigungen
Es gibt natürlich auch Begünstigungen von Mitgliedern – das wissen wir nicht erst seit der Affäre um die Begünstigung einiger Betriebsratsmitglieder bei einem großen Automobilkonzern im Jahr 2005:
- Gewährung eines besonders günstigen Darlehens im Vergleich zu Darlehen für andere Arbeitnehmer
- Unangemessene Geschenke an Betriebsratsmitglieder
- Unbegründete bessere Bezahlung
- Zusätzliche Pauschale für betriebsratsbedingte Mehrarbeit
- Zusätzliche bzw. erhöhte Abfindung bei Betriebsstilllegung
- Versetzung an einen bevorzugten Arbeitsplatz
- Gewährung von Zusatzurlaub ohne besonderen Grund
- Zahlung überhöhter Entschädigungen, Reisekosten oder anderer Auslagen
Benachteiligungen liegen dann vor, wenn Betriebsratsmitglieder ohne sachlichen Grund gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern schlechter gestellt werden. Begünstigungen liegen vor, wenn sie ohne sachlichen Grund bessergestellt werden.
Mögliche Folgen
Bei Verstößen gegen das Verbot der Behinderung oder Benachteiligung kann der Betriebsrat Unterlassungsansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen (§ 23 Abs. 3 BetrVG). Dem betroffenen Mitglied entstehen u. U. Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB.
In schweren Fällen ist auch eine strafrechtliche Verfolgung möglich (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 BetrVG). Voraussetzung für die Strafbarkeit ist aber ein schuldhaftes, das heißt insbesondere vorsätzliches Handeln. Das fällt in der Praxis meistens schwer. Antragsberechtigt zur Verfolgung einer Straftat nach § 119 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat, die Gewerkschaft oder der Arbeitgeber.
Ein begünstigtes Betriebsratsmitglied macht sich u. U. der Beihilfe zur Untreue schuldig.
Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern
Ein Mitglied des Betriebsrats darf nur gekündigt werden (§ 15 KSchG), wenn
- die Voraussetzungen für eine außerordentliche (fristlose) Kündigung gem. § 626 BGB vorliegen
- und der Betriebsrat zugestimmt hat (§ 103 BetrVG).
Die Zustimmung des Betriebsrats kann durch das Arbeitsgericht ersetzt werden.
Eine außerordentliche Kündigung ist dann angemessen, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, mit dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zusammenzuarbeiten. Die außerordentliche Kündigung ist das letzte Mittel. Sie darf nur ausgesprochen werden, wenn unter Abwägung der Interessen beider Parteien und unter Berücksichtigung des Einzelfalls kein anderes Mittel zur Wahl steht.
Gründe für außerordentliche Kündigungen
Mögliche Gründe für außerordentliche Kündigungen können z. B. sein:
- Arbeitsverweigerung
- Wiederholte erhebliche Unpünktlichkeit, wenn sie den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung erreicht
- Aufruf zum wilden Streik
- Konkurrenztätigkeit
- Missbrauch des Amtes, z. B. einer Freistellung für private Zwecke
- Diebstahl, Unterschlagung, Betrug etc. auch bei kleinen Beträgen
- Nötigung, Bedrohung, Tätlichkeiten, Körperverletzung etc.
- Grobe Beleidigung, Verleumdung etc.
Beteiligung des Betriebsrats
Wichtig ist: Anders als bei Kündigungen von Arbeitnehmern, die nicht Mitglied des Betriebsrats sind (§ 102 BetrVG), gilt bei der Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nicht die „Zustimmungsfiktion“, wenn der Betriebsrat sich nicht innerhalb einer bestimmten Frist geäußert hat. Es ist immer eine Zustimmung erforderlich – entweder die des Betriebsrats, oder, wenn er sie nicht erteilt hat, die des Arbeitsgerichts.
Möchte der Arbeitgeber die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds einholen, kann der Betriebsrat sich auf folgende drei Arten verhalten:
- Er kann zustimmen (Das ist wohl eher die Ausnahme. Aber natürlich kann es vorkommen, nämlich wenn das betreffende Mitglied sich wirklich grob falsch verhalten hat. Z. B. bei einem schweren Diebstahl erwischt wurde oder Kollegen verprügelt hat – habe ich alles schon erlebt). Dazu bedarf es aber eines ordentlichen Beschlusses.
- Er kann beschließen, die Zustimmung zu verweigern. Bei dem Beschluss kann er nichts falsch machen, weil ein falscher Beschluss eben keine Zustimmung ist.
- Er kann einfach nichts tun – dann hat er ja auch nicht zugestimmt.
Das betreffende Mitglied des Betriebsrats kann bei der Besprechung im Gremium anwesend sein. An der Beschlussfassung darf es jedoch nicht teilnehmen. Weil es als verhindert gilt (es ist ja in eigener Sache befangen), muss das Ersatzmitglied geladen werden, damit ein Beschluss ggf. ordentlich zustande kommt.
Recht auf unabhängige berufliche Entwicklung
Die Mitglieder der Organe der Betriebsverfassung dürfen in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt oder bevorzugt werden (§ 78 Satz 2 BetrVG). Außerdem dürfen Betriebsratsmitglieder einschließlich des ersten Jahres nach Ende der Amtszeit nur mit solchen Tätigkeiten beschäftigt werden, die denen vergleichbarer Arbeitnehmer entsprechen (§ 37 Abs. 5 BetrVG).
Der Gesetzgeber will also verhindern, dass Betriebsratsmitglieder durch schlechtere oder womöglich gefährliche Arbeit „bestraft“ werden. Sie sollen nicht in ihrem beruflichen Weiterkommen beeinträchtigt oder wirtschaftlich schlechter gestellt werden als vergleichbare KollegInnen.
Den Nachweis darüber zu führen, dass ein Arbeitgeber gegen diese Bestimmungen verstößt, fällt natürlich im Einzelfall schwer.
Daher sollte ein Betriebsrat zum Beginn seiner Amtszeit vergleichbare Kolleginnen und Kollegen identifizieren. Dann kann er beobachten, wie deren berufliche und finanzielle Entwicklung im Betrieb verläuft, um eine Vergleichsmöglichkeit zu haben.
Entgeltentwicklung
Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 37 Abs. 1 BetrVG). Das bedeutet aber nicht, dass Betriebsratsarbeit unentgeltlich geleistet werden muss. Die erforderliche Wahrnehmung des Amtes ist immer wie Arbeit zu behandeln, insbesondere zu vergüten.
Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich des ersten Jahres nach Ende der Amtszeit nicht niedriger sein als das vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung (§ 37 Abs.4 BetrVG). Leistungsbezogene Entgeltanteile und Prämien etc. müssen entsprechend dem Durchschnitt der vergleichbaren Arbeitnehmer auch einem Mitglied des Betriebsrats gezahlt werden.
Es kann passieren, dass es einem Betriebsratsmitglied aufgrund seines Amtes nicht möglich ist, die gleichen Leistungen, z. B. die gleichen Ziele wie andere, vergleichbare Arbeitnehmer zu erreichen. Dann müssen die Leistungsanforderungen bzw. die Ziele so angepasst werden, dass die Tätigkeit für den Betriebsrat berücksichtigt wird. Wenn also z. B. 25% der Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit benötigt werden, müssen quantitative Ziele oder andere Anforderungen entsprechend abgesenkt werden.
Auch hier gilt: Man sollte als Betriebsratsmitglied vergleichbare andere Kolleginnen und Kollegen suchen, um eine Vergleichsmöglichkeit zu haben.
Unsere Seminare
Neben unserer umfangreichen Beratungs-Seite, bieten wir natürlich auch Seminare für Betriebs- und Personalräte an. Auch zu vielen anderen Themen und als Inhouse-Seminar.
Hier finden Sie passende Seminare zum Thema Schutz und Rechte des Betriebsrats:
Betriebsverfassungsrecht Teil I
Die Basis Ihrer Arbeit als Betriebsrat („BR1“)
Betriebsratsvorsitzende und Stellvertreter Teil I
Rechtliche Grundlagen für die effiziente Arbeit als Vorsitzender