Arbeits- und Gesundheitsschutz: Die wichtigsten Vorschriften

Es gibt eine schier unüberschaubare Fülle an Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz: EU-Richtlinien, Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Technische Regeln, DGUV-Regeln, DGVU-Informationen und DGUV-Grundsätze. Da ist es schon schwierig, den Überblick zu behalten und zu wissen, was in welchen Fällen und mit welcher Verbindlichkeit gilt.

Hier ist der Überblick darüber, welche Vorschriften für welche Fälle gelten und welche Pflichten, aber auch Ermessensspielräume es gibt.

Das Grundgesetz als Basis

Wie die Mitbestimmung insgesamt fußen auch der Gesundheitsschutz und die Mitbestimmung dazu auf Art. 2 GG. Dort ist das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (aber noch nicht: „Gesundheit“) verankert:

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG

Individueller Anspruch

Weil das Grundgesetz zunächst nur den Staat verpflichtet, die Grundrechte zu schützen, hat der Staat die Ansprüche der Bürger aus Art 2. Abs. 2 GG bei der Arbeit so organisiert, dass die Arbeitgeber für das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer verantwortlich sind.

Lt. § 618 BGB hat ein Arbeitgeber „Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften“ so einzurichten und zu unterhalten, dass die Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt sind, wie möglich. Auch die Arbeitsabläufe selbst müssen so gestaltet werden. Diesen individuellen Anspruch hat jeder Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber.

Der individuelle Anspruch begründet jedoch keine kollektiven Ansprüche. Daher hat der Betriebsrat hier auch kein Mitbestimmungsrecht. Er hat allenfalls eine Aufsichtspflicht (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

Ob ein Arbeitnehmer überhaupt weiß, dass er diesen Anspruch hat, und ob er – sollte er es wissen – es auch wagt, seinen Anspruch nötigenfalls arbeitsgerichtlich gegen seinen Arbeitgeber durchzusetzen, ist allerdings fraglich. Mir ist bisher nicht aufgefallen, dass sich Fälle, in denen Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Arbeitsschutz geltend machen, bei den Arbeitsgerichten stapeln.

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Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Da der individuell-arbeitsrechtliche Anspruch der Arbeitnehmer noch nicht ausreicht, um die Arbeitgeber wirkungsvoll zur Erfüllung ihrer Verantwortung anzuhalten, hat der Gesetzgeber zusätzlich eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz erlassen. Das wichtigste davon ist das ArbSchG. Es beruht auf der EU-Richtlinie 89/391/EWG („Rahmenrichtlinie“) und setzt die Bestimmungen dieser Richtlinie in deutsches Recht um.

Ziel des Arbeitsschutzgesetzes ist, sicherzustellen, dass Sicherheit und Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeitnehmer im Betrieb gewährleistet werden. Dazu verpflichtet das ArbSchG den Arbeitgeber, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem individuell-arbeitsrechtlichen Anspruch aus § 618 BGB und den öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus dem ArbSchG ist:

  • Einen individuell-arbeitsrechtlichen Anspruch aus § 618 BGB gegenüber dem Arbeitgeber auf die Durchführung von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit muss ein Arbeitnehmer auch individuell-arbeitsrechtlich, also z. B. durch eine Klage vor dem Arbeitsgericht, durchsetzen. Dabei ist weder der Betriebsrat, noch sind Aufsichtsbehörden oder die Berufsgenossenschaft beteiligt.
  • Die Pflichten aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Arbeitsschutz (ArbSchG, ArbStättV, BetrSichV etc.) muss der Arbeitgeber in jedem Fall einhalten, und die Aufsichtsbehörden, in bestimmten Fällen auch die Berufsgenossenschaften, können den Arbeitgeber durch Zwangsmaßnahmen dazu zwingen. Auch der Betriebsrat spielt hier im Rahmen der Mitbestimmung eine Rolle, auf die ich später eingehe.

Weitere Unterschiede zwischen dem § 618 BGB und dem ArbSchG sind die Konkretisierungen, die das ArbSchG enthält, wie beim Arbeits- und Gesundheitsschutz vorzugehen ist.

Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind Maßnahmen (§ 2 Abs. 1 ArbSchG):

  • zur Verhütung von Unfällen,
  • zur Minderung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und
  • zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit.

Insbesondere hat der Arbeitgeber für eine geeignete Organisation zu sorgen (also z. B. Personal für den Arbeitsschutz abzustellen) und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Die Kosten muss der Arbeitgeber selbst tragen.

Die Hauptpflicht des Arbeitgebers wird in § 3 ArbSchG bestimmt:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes […] zu treffen […].

3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG

Also wird (ganz ähnlich wie in § 618 BGB) der Arbeitgeber in die Pflicht genommen, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Er kann sich also z. B. nicht darauf zurückziehen, dass er Maßnahmen nur dann trifft, wenn sich jemand Externes findet, der sie finanziert.

Beim Arbeitsschutz müssen (u. a.) folgende Grundsätze eingehalten werden (§ 4 ArbSchG):

  • Gefährdungen müssen, wenn möglich, ganz vermieden werden und die Restgefahr so weit wie möglich gemindert werden – wie schon angesprochen: Arbeits- und Gesundheitsschutz bestehen vor allem in Prävention.
  • Gefahren sind an der Quelle zu bekämpfen.
  • Bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.
  • Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen.

Damit wird ein wesentliches Prinzip der Prävention beschrieben, das auch als „STOP“ -Prinzip bekannt ist:

Substituierung: Wenn eine Situation, z. B. ein Gefahrstoff, eine Maschine oder eine Tätigkeit eine gesundheitliche Gefährdung oder sogar eine erhebliche Gefahr darstellt, muss man als erstes versuchen, die Gefahrenquelle durch ein anderes Mittel zu ersetzen – eben zu substituieren.

Technische Maßnahmen: Wenn es nicht möglich ist, zu substituieren, (und nicht, wenn es zu aufwändig oder zu teuer ist) muss man versuchen, durch geeignete technische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Gefahrenquelle so weit wie möglich beseitigt oder zumindest eingedämmt wird.

Organisatorische Maßnahmen: Reicht das nicht aus, um einen möglichst hohen Schutz der Gesundheit zu gewährleisten, sind organisatorische Maßnahmen die dritte Wahl – es muss versucht werden, durch Änderungen der Arbeitsorganisation das Ausmaß der Belastung bzw. Beeinträchtigung so weit wie möglich zu verringern.

Persönliche Maßnahmen: Nur wenn keine andere Maßnahme möglich oder erfolgreich ist, kommen persönliche Maßnahmen, z. B. in Form persönlicher Schutzausrüstungen in Betracht. Sie sind aber die letzte Wahl, die nur in Betracht kommt, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschlossen oder noch nicht ausreichend sind.

Beispiele für das „STOP“ -Prinzip:

  • Ein Gefahrstoff ist toxisch, karzinogen oder auf andere Weise gefährlich. Am Anfang steht die Substitution. Also muss man als erstes nach einem anderen, ebenfalls geeigneten Stoff suchen, der vergleichbar geeignet ist, von dem aber keine Gefährdung ausgeht. Gibt es solch einen weniger gefährlichen Stoff nicht, oder ist sein Einsatz absolut nicht vertretbar, muss man technische Lösungen suchen, um die Gefährdung zu beseitigen oder zumindest so weit wie möglich zu vermindern – z. B. durch geschlossene Kreisläufe, aus denen der gefährliche Stoff nicht austreten kann, Absauganlagen etc. Ist auch das nicht oder nicht in ausreichendem Maße möglich, sind organisatorische Maßnahmen zu treffen. Z. B. muss die Menge des gefährlichen Stoffs, die jeweils am Arbeitsplatz vorgehalten wird, auf das kleinstmögliche Maß reduziert werden. An letzter Stelle stehen persönliche Schutzmaßnahmen, z. B. häufige Ablösung, Atemschutzmasken, Schutzbrillen und andere Schutzkleidung.
  • Eine Maschine ist laut und vibriert, und dieser Lärm und die Vibrationen erreichen ein Ausmaß, das die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährdet. Die erste Kategorie von Maßnahmen muss darauf gerichtet sein, die Maschine umzubauen oder zu ersetzen, um den Lärm und die Vibrationen zu beseitigen. Ist das nicht möglich, muss man nach technischen Wegen suchen, den Lärm und die Vibrationen, die die Maschine verursacht, von den Arbeitnehmern fernzuhalten (z. B. die Maschine auf schwimmenden Estrich zu stellen, einzukapseln etc.). Ist das nicht möglich oder reicht auch das nicht aus, können organisatorische Maßnahmen in Betracht kommen, z. B. die Arbeitnehmer häufiger abzulösen, die Arbeit häufiger zu unterbrechen, die Maschine so oft wie möglich außer Betrieb zu setzen etc. Und erst als letzte Möglichkeit kommen wieder persönliche Schutzausrüstungen in Betracht, z. B. Gehörschutz oder vibrationsdämmende Matten oder Schuhsohlen.

Der Gesetzgeber wendet das „STOP-Prinzip“ in den verschiedenen Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz recht konsequent an. Das zuletzt genannte Beispiel über die lärmende Maschine stammt aus § 7 der LärmVibrationsArbSchV:

(1) Der Arbeitgeber hat die nach § 3 Abs. 1 Satz 6 festgelegten Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik durchzuführen, um die Gefährdung der Beschäftigten auszuschließen oder so weit wie möglich zu verringern. Dabei ist folgende Rangfolge zu berücksichtigen:

1. Die Lärmemission muss am Entstehungsort verhindert oder so weit wie möglich verringert werden. Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen.

2. Die Maßnahmen nach Nummer 1 haben Vorrang vor der Verwendung von Gehörschutz nach § 8.

§ 7 LärmVibrationsArbSchV

Was sind „gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse“?

In § 4 ArbSchG, aber z. B. auch in den §§ 90 und 91 BetrVG wird auf „gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse“ verwiesen. Es stellt sich natürlich die Frage, was gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sind. Dafür muss geklärt werden, was Arbeitswissenschaft ist, wann Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft als „gesichert“ angesehen werden können und inwiefern sie bei Regelungen und Maßnahmen berücksichtigt werden müssen.

Arbeitswissenschaft ist die Lehre von der menschlichen Arbeit. Sie beschäftigt sich mit der Anpassung der Arbeit an den Menschen (nicht der Anpassung der Menschen an die Arbeit!). Ziele der Arbeitswissenschaft sind, den Menschen:

  • schädigungslose,
  • ausführbare,
  • erträgliche und
  • beeinträchtigungsfreie

Arbeitsbedingungen zu schaffen – das ist das, was man auch unter dem Begriff „Ergonomie“ zusammenfasst.

Ziele der Ergonomie

Mit „Schädigungslosigkeit“ ist gemeint: unmittelbare Gesundheitsschäden sind ausgeschlossen. Geräte und Einrichtungen sind so zu beschaffen, und auch die Arbeit ist so zu organisieren, dass unmittelbare Gesundheitsschäden (Unfälle, Vergiftungen etc.) nicht entstehen können.

Mit „Ausführbarkeit“ ist gemeint: Maßstab für die Arbeit ist die menschliche Leistungsfähigkeit. Die Anforderungen müssen also so gestaltet werden, dass sie den jeweiligen Arbeitnehmer nicht überfordern bzw. mit den verfügbaren (auch persönlichen) Ressourcen übereinstimmen.

Mit „Erträglichkeit“ ist gemeint: Die Arbeit führt auch langfristig nicht zu Schäden:

  • Auch wenn der Stuhl nicht umkippt (also „schädigungslos“ ist), muss es auch auf lange Sicht erträglich sein und darf keine Schäden verursachen, auf ihm zu sitzen.
  • Auch wenn ein Stoff nicht unmittelbar zu einer Vergiftung führt (also unmittelbar „schädigungslos“ ist), muss der Umgang mit ihm erträglich sein, weil er z. B. nicht unerträglich stinkt oder sogar karzinogen ist, also langfristige Schäden verursacht.

Mit „Beeinträchtigungsfreiheit“ ist gemeint: Es wird vermieden, dass z. B. durch Unterforderung, Monotonie, Vereinsamung etc. eine Beeinträchtigung des (auch psychischen und sozialen) Wohlbefindens eintritt. Die Arbeit ist so gestaltet und organisiert, dass die Arbeitnehmer sich bei ihr möglichst wohl fühlen.

Betrachtet man die Elemente Anforderungen, Ressourcen und äußere Einwirkungen als Einflussgrößen, ist das Ziel der Arbeitswissenschaft also, diese drei Elemente so zu gestalten, dass negative Beanspruchungen und Beeinträchtigungen vermieden werden. Aufgabe der Arbeitswissenschaft ist, herauszufinden, in welcher Weise diese Einflüsse sich auf den Menschen auswirken, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und welche Maßnahmen am besten geeignet sind, Gefährdungen zu beseitigen.

Die Arbeitswissenschaft gewinnt – wie Wissenschaften das so an sich haben – stetig Erkenntnisse hinzu, nicht zuletzt auch deshalb, weil es auch ständig neue Techniken, neue Arbeitsmethoden und neue Anforderungen gibt.

„Gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse“

Gesichert sind arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse dann, wenn sie von der überwiegenden Mehrzahl der anerkannten Wissenschaftler und Fachleute akzeptiert sind. In jedem Fall gelten arbeitswissenschaftliche Erkenntnis dann als gesichert, wenn sie

Auch Normen können gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse enthalten, z. B. die Normenfamilie ISO 9241.

Berücksichtigung von gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen

§ 4 Nr. 3 ArbSchG verlangt, dass „bei den Maßnahmen […] der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen“ sind. „Zu berücksichtigen“ ist nicht dasselbe wie „zu verwirklichen“.

In den Technischen Regeln für Arbeitsstätten („ASR“) steht z. B. üblicherweise der Satz

Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnungen erfüllt sind.

Damit wird deutlich: Kann man gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse umsetzen, und tut man dies, ist man auf der sicheren Seite – dann kann man davon ausgehen, alles richtig gemacht zu haben. Aber nicht alle arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse enthalten „Wenn-Dann-Regeln“, die man 1:1 umsetzen könnte. Und manchmal genügt es eben auch nicht, weil besondere Verhältnisse vorliegen.

Bei Gefährdungsbeurteilungen und den daraus abgeleiteten Maßnahmen muss man sich – soweit vorhanden – zumindest an solchen Erkenntnissen orientieren. In welcher Weise sie dann umgesetzt werden können und/oder müssen, ist nicht zuletzt das Ergebnis von Gefährdungsbeurteilungen.

Gefährdungsbeurteilungen

§ 3 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet die Arbeitgeber, die „erforderlichen Maßnahmen“ zum Gesundheitsschutz zu treffen. Die Frage ist nur: Welche Maßnahmen sind denn jeweils erforderlich? Das steht dort nicht, und das kann der Gesetzgeber auch nicht bestimmen. Es kommt ja jeweils auf die Anforderungen, Ressourcen und äußeren Einwirkungen an, die auf den jeweils einzelnen Arbeitnehmer bei seiner speziellen Tätigkeit einwirken. Es können also – je nach Tätigkeit, Bedingungen etc. – ganz unterschiedliche Maßnahmen erforderlich sein.

Deshalb müssen für jede Art von Arbeitsplatz und jede Art von Tätigkeit (und genau genommen sogar für jeden Arbeitnehmer) die Arbeitsbedingungen beurteilt werden, das verlangt § 5 ArbSchG. Ziel der Gefährdungsbeurteilungen ist also, zu ermitteln, welche Faktoren in welcher Weise auf die Arbeitnehmer einwirken, ob daraus Gefährdungen entstehen können und ob und ggf. welche Maßnahmen erforderlich sind, um evt. bestehende Gefährdungen zu beseitigen oder zumindest auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Ich werde mich in einem anderen Beitrag ausführlich mit dem Thema Gefährdungsbeurteilungen beschäftigen.

Die Gefährdungsbeurteilungen müssen dokumentiert werden (§ 6 ArbSchG). Weil der Betriebsrat die Aufgabe hat, die Einhaltung der Schutzvorschriften zu überwachen, sollte er sich die Dokumentation der in der Vergangenheit durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen vorlegen lassen.

Weitere Vorschriften des ArbSchG

Das ArbSchG enthält eine Reihe weiterer Bestimmungen, die ich hier nicht im Detail darstellen kann – das würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Daher hier nur ein grober Überblick:

Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer in der Lage sind, die zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten (§ 7 ArbSchG). Dazu muss er die Arbeitnehmer ggf.

  • einweisen,
  • schulen,
  • trainieren lassen etc.

Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass zu besonders gefährlichen Bereichen nur Arbeitnehmer Zugang erhalten, die darauf besonders vorbereitet wurden (§ 9 Abs. 1 ArbSchG).

Der Arbeitgeber hat Maßnahmen zu treffen, die für

  • die Erste Hilfe,
  • die Brandbekämpfung und
  • die Evakuierung

erforderlich sind (§ 10 Abs. 1 ArbSchG). Er muss Personen benennen, die Aufgaben bei der Ersten Hilfe, der Brandbekämpfung und der Evakuierung übernehmen (§ 10 Abs. 2 ArbSchG).

Der Arbeitgeber hat angemessene bzw. erforderliche arbeitsmedizinische Untersuchungen zu ermöglichen (§ 11 ArbSchG). Welche Untersuchungen erforderlich sind, ist in der ArbMedVV bestimmt. Die Kosten für diese Untersuchungen trägt der Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen (§ 12 ArbSchG). Die Unterweisung muss bei

  • der Einstellung,
  • einer Versetzung,
  • der Einführung neuer Arbeitsmittel oder Techniken

jeweils vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen.

Auch Arbeitnehmern entstehen aus dem ArbSchG Pflichten:

  • Sie haben für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen (§ 15 Abs. 1 ArbSchG).
  • Sie haben Maschinen, Geräte, Werkzeuge etc. bestimmungsgemäß zu verwenden (§ 15 Abs. 2 ArbSchG).
  • Sie müssen Gefahren, Defekte etc. melden (§ 16 ArbSchG).

Im ArbSchG finden sich also sowohl Elemente der Verhaltens- wie auch der Verhältnisprävention:

  • Einweisung, Unterrichtung und die Pflichten der Arbeitnehmer zielen auf die Verhaltensprävention;
  • die Schaffung geeigneter Arbeitsbedingungen und andere Maßnahmen sind vor allem Elemente der Verhältnisprävention.

Das Arbeitsschutzgesetz bestimmt die allgemeinen Grundlagen und Regeln des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit. Daher wird es durch eine Reihe von Verordnungen ergänzt, die einzelne Themen benennen und einzelne Fragen im Detail konkretisieren.

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Arbeitsstättenverordnung

Die Arbeitsstättenverordnung schreibt vor, wie Arbeitsstätten beschaffen und eingerichtet sein müssen, damit Arbeits- und Unfallschutz gewährleistet sind. In einem Anhang werden spezielle Regeln für eine Vielzahl von Einzelfällen vorgenommen.

Besondere Pflichten entstehen z. . aus:

  • 5 ArbStättV (Nichtraucherschutz),
  • 6 ArbStättV (Arbeits- und Sozialräume)
  • Anhang Nr. 1.2 ArbStättV (Abmessung von Räumen)
  • Anhang Nr. 1.3 ArbStättV (Kennzeichnungspflichten)
  • Anhang Nr. 1.5 ArbStättV (Fußböden)
  • Anhang Nr. 2.3 ArbStättV (Fluchtwege, Notausgänge)
  • Anhang Nr. 3 ArbStättV (Arbeitsbedingungen) etc.

Insbesondere ist Nr. 6 des Anhangs wichtig: Dort finden sich seit Dezember 2016 Bestimmungen über die Bildschirmarbeit, die aus der früheren Bildschirmarbeitsverordnung übernommen und modernisiert wurden. Besonders bemerkenswert ist ein Satz aus Ziff. 6.5 im Anhang, der Arbeitgeber verpflichtet, „insbesondere geeignete Softwaresysteme bereitzustellen“. Das spricht sich erst allmählich herum, und es verspricht recht spannend zu werden, wie die Rechtsprechung, aber auch welche regelungstechnischen Lösungen sich in den nächsten Jahren entwickeln werden.

Es gibt noch keine ASR (Technische Regeln für Arbeitsstätten) für die Kapitel 6. im Anhang der ArbStättV, z. B. für die Antwort auf die Frage, was „geeignete Softwaresysteme“ geeignet macht. Hier kommen anerkannte Normen als Beurteilungsmaßstab für gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse in Betracht, vor allem die ISO 9241-110 und verwandte Normen aus der Familie der ISO 9241.

Weitere Verordnungen

Neben der Arbeitsstättenverordnung besteht eine Vielzahl weiterer Verordnungen. Sie regeln jeweils einzelne Themenbereiche im Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Insbesondere die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ist hier von Bedeutung, die im Jahr 2015 neu gefasst wurde. Gegenstand dieser Verordnung ist die Sicherheit beim Betrieb von Arbeitsmitteln und Anlagen. Sie wird ergänzt durch Technische Regeln für Betriebssicherheit („TRBS“).

Daneben sind aber auch die Gefahrstoffverordnung, die Lastenhandhabungsverordnung, die Biostoffverordnung, die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen, die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit und diverse andere relevant. Auch zu den meisten dieser Verordnungen gibt es Ergänzungen in Form technischer Regeln oder dergleichen, in denen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht werden.

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Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)

Zweck des Arbeitssicherheitsgesetzes ist, durch die Verpflichtung der Arbeitgeber, Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, sicherzustellen, dass die Vorschriften zum Arbeitsschutz und zur Unfallverhütung wirkungsvoll umgesetzt werden.

Die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit unterstützen den Arbeitgeber bei seinen Pflichten hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung (§ 1 ASiG). Daraus wird deutlich, dass die Verantwortung dennoch beim Arbeitgeber liegt.

Im Gesetz wird nicht bestimmt, bei welcher Zahl von Arbeitnehmern ein Betriebsarzt oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellt werden muss. Der Arbeitgeber muss über die Bestellung nach der Größe des Betriebs und nach der Art der potentiellen Gefährdungen richtig entscheiden.

In der DGUV 2 ist ein Schlüssel definiert, der prinzipiell (aber nicht ganz abschließend) bestimmt, welche Anzahl von Fachkräften welcher Art je nach Betriebsart und Betriebsgröße bestellt werden müssen. Hier besteht ein gewisser Ermessensspielraum.

Die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit können nur mit Zustimmung des Betriebsrats bestellt oder abberufen werden (§ 9 Abs. 3 ASiG). Das ASiG verweist dabei ausdrücklich auf § 87 und § 76 BetrVG – also gilt hier eine „zwingende“ Mitbestimmung.

Der Betriebsrat hat jedenfalls mitzubestimmen

  • bei der Frage, ob ein Arbeitnehmer des Betriebs oder eine externe Stelle bestellt wird und
  • welcher Arbeitnehmer bestellt wird.

Allerdings ist die Mitbestimmung des Betriebsrats insofern eingeschränkt, dass er über die Auswahl eines konkreten externen Dienstleisters nicht mitzubestimmen hat. Das ergibt sich aus Satz 2 des § 9 Abs. 3 ASiG.

Die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind in der Ausübung ihres Amtes weisungsfrei (§ 8 ASiG), müssen aber mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten (§ 9 Abs. 1 ASiG).

Der Betriebsrat hat nicht nur bei der Bestellung von Fachkräften und Betriebsärzten mitzubestimmen. Auch die Festlegung und Änderung ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten sind Gegenstände der zwingenden Mitbestimmung durch den Betriebsrat (§ 9 Abs. 3 Satz 2 ASiG).

In Betrieben mit regelmäßig mehr als 20 Vollzeitbeschäftigten ist ein Ausschuss für Arbeitssicherheit zu bilden (§ 11 ASiG). In diesem Ausschuss ist der Betriebsrat mit zwei Mitgliedern vertreten. Der Ausschuss tagt nach Bedarf, jedoch mindestens einmal im Quartal.

Der Ausschuss hat keine besonderen Befugnisse. Er berät Fragen des Arbeitsschutzes. Er kann nichts verbindlich beschließen; die Verantwortung liegt ausschließlich beim Arbeitgeber.

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Sozialgesetzbuch VII

Das 7. Sozialgesetzbuch regelt die gesetzliche Unfallversicherung für Arbeitnehmer. In § 15 SGB VII wird bestimmt, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherungen (also üblicherweise die Berufsgenossenschaften) Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) erlassen können. Unternehmen sind verpflichtet, die Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) als Dachorganisation koordiniert die Entwicklung der UVVen und veröffentlicht eigene Vorschriften, die als Grundlage von den einzelnen fachlichen BGen verwendet, angepasst und für verbindlich erklärt werden.

In Unternehmen mit regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmern müssen Sicherheitsbeauftragte bestellt werden (§ 22 SGB VII). Der Betriebsrat ist bei deren Bestellung zu beteiligen (hat aber nicht mitzubestimmen – das ist weniger als im ASiG).

Die Aufgaben der Sicherheitsbeauftragten ähneln denen der Fachkräfte für Arbeitsschutz, allerdings fokussiert auf Fragen der Unfallverhütung und der Verhütung von Berufskrankheiten. Sie sollen im „operativen Betrieb“ auf die Einhaltung der Schutzvorschriften achten.

Ermessensspielräume

(Fast) allen gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen ist gemein, dass sie nur wenig ganz konkrete und verbindliche Bestimmungen enthalten. Man findet dort oft Begriffe wie „erforderlich“, „ausreichend“, „angemessen“, „zuträglich“ etc. Im Ergebnis sind diese Vorschriften also nicht abschließend, sondern sie enthalten in erheblichem Umfang Ermessensspielräume.

Arbeitsschutzvorschriften
Aufbau der Arbeitsschutzvorschriften

Warum das sinnvoll ist, und welche Rolle der Betriebsrat dabei spielt, werden wir etwas später betrachten.

Aufsichtsbehörden

Die Aufsicht über die Einhaltung des Arbeitsschutzes wird von den Aufsichtsbehörden geführt. Die Aufsichtsbehörden werden von den Ländern bestimmt. Dabei gelten je nach Land unterschiedliche Zuständigkeiten. Entscheidend ist jeweils der Sitz des Betriebs (nicht notwendigerweise im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne).

Baden-Württemberg: Regierungspräsidien

Bayern: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie Bezirksregierungen

Berlin: Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi)

Brandenburg: Landesamt für Arbeitsschutz

Bremen: Gewerbeaufsicht des Landes Bremen

Hamburg: Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz

Hessen: Regierungspräsidien (Federführend: Regierungspräsidium Darmstadt)

Mecklenburg-Vorpommern: Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS), Abt. Arbeitsschutz und technische Sicherheit

Niedersachsen: Gewerbeaufsichtsämter

Nordrhein-Westfalen: Bezirksregierungen

Rheinland-Pfalz: Struktur- und Genehmigungsdirektionen

Saarland: Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Abteilung E: Technischer Umweltschutz

Sachsen: Landesdirektion Sachsen

Sachsen-Anhalt: Landesamt für Verbraucherschutz

Schleswig-Holstein: Staatliche Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse

Thüringen: Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz, Abt. Arbeitsschutz

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